Anzeigenmärkte & Jugendschutz
Viele Betreiber sind der Auffasssung, dass Sie für Inhalte, die durch Nutzer in Form von Kleinanzeigen auf Internet-Angebote eingestellt werden, nicht verantwortlich sein können. Insbesondere ist häufig die Auffassung anzutreffen, dass im Print-Bereich viele Anzeigenblätter scheinbar offen auch erotisierende Anzeigen verbreiten, so müsse das im Internet auch möglich sein. Aus der Betrachtung des Jugendmedienschutzes ergeben sich jedoch vielfältige Fragen.
Kleinanzeigen, die aus Jugenschutzperspektive Fragen aufwerfen könnten, sind im Internet in unterschiedlichen Formen und Facetten anzutreffen. Denkbar sind Anzeigen von Prostituierten, Escorts und sonstigen Modellen, die ihre gewerblichen Dienste anbieten, aber auch private Kontaktanzeigen, bei denen zu Swinger-Partys eingeladen wird, einzelne Erotik-Produkte verkauft werden sollen oder konkrete private Sex-Kontakte angebahnt werden.
Alle diese Anzeigenformen haben eines gemein: Sie können als entwicklungsbeeinträchtigend oder jugendgefährdend eingestuft werden, wenn das enthaltene Bild- und Textmaterial in der Betrachtung des Gesamtkontext zu diesem Ergebnis führt. Maßgeblich für eine solche Einstufung ist, dass die Anzeigen ein Bild von Sexualität oder Gewalt vermitteln, das nicht dem Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen entspricht und diese so in ihrer freien geistig-seelischen Entwicklung beeinträchtigen oder gefährden kann. Auch die Herabstufung von natürlichen Personen zu reinen käuflichen "Sexobjekten" kann Kinder und Jugendliche erheblich gefährden.
Häufig wird insbesondere bei der Bewerbung von extremen sexuellen Praktiken oder im Bereich der Homosexuellen-Szene ein Bild der Sexualität für Jugendliche und Kinder gezeichnet, das von der Norm abweicht und nicht richtig durch Minderjährige eingeordnet werden kann.
Verantwortung des Anbieters
Ist aber der Anbieter überhaupt verantwortlich für diese Inhalte? Zunächst werden auf der Anbieterseite fremde Inhalte eingestellt, für die der Anbieter ohne weiteres als fremde Inhalte nicht haftet. Voraussetzung für die Haftung ist die Kenntnisnahme des Anbieters. Diese kann ihm bei kleineren und übersichtlichen Anzeigenmärkten regelmässig zu unterstellen sein. Hat der Anbieter Kenntnis von diesen Inhalten, kommt eine Haftung für diese Inhalte in Betracht.
Aus der Rechtssprechung zu Forenbeiträgen, der Linksetzung und Werbeanzeigen ( LG Köln - Urt. v. 04.12.2002 - Az 28 O 627/02; LG Trier - Urt. v. 16.05.2001 - Az 4 O 106/00; LG Düsseldorf - Urt. v. 14.08.2002 - Az 2a O 312/01) haben deutsche Gerichte mittlerweile eine gefestigte Meinung zur Kenntnisnahme. Insbesondere dann, wenn der Betreiber regelmässig mit derartigen jugendgefährdenen oder entwicklungsbeeinträchtigenden Anzeigen rechnen muss, wird er Vorkehrungen treffen müssen, wie er in einem öffentlich zugänglichen Bereich sicherstellt, dass nur die Inhalte abrufbar sind, die Kinder und Jugendliche nicht gefährden.
Darüber hinaus könnte dem Anbieter von gewerblichen Sex-Kontaktanzeigen unterstellt werden, er fördere die Prostitution, da er in Kenntnisnahme eine Werbefläche im Internet zur Verfügung stellt und ggf. sogar diese Anzeigen selbst anbietet und ausgestaltet. Zwar ist dies durch das Prostitutionsgesetz vom 20.12.2001 weitgehend abgeschwaecht worden. Dennoch erfüllen derartige Anzeigen, die auch grob-anstössig formuliert sein könnten, regelmässig den Tatbestand der Entwicklungsbeeinträchtigung, da eine Anzeige "Sex gegen Geld" Kindern unter 16 Jahren ein Bild der Sexualität zeichnet, das den Eindruck hinterlassen könnte, Sexualität gehe über eine geschäftliche Transaktion nicht hinaus. Diese Argumentation stützt auch der § 120 OWiG. (FSM-Beschwerde-Entscheid Nr. 02205)
Sind in den Anzeigen Inhalte vorhanden, die auch nicht unter den Ausnahmen der §§ 4 und 5 JMStV verbreitet werden dürfen, wie z. B. harte Pornografie, können erhebliche strafrechtliche Konsequenzen auf den Anbieter zukommen.
Auszug aus der Rechtsprechung (Print)
1. Anzeigenverträge, die verdeckt für Prostitution werben (Kontaktanzeigen) und die nicht derart eindeutig sind, daß dem objektiv erkennbaren Inhalt der Anzeige nach Gelegenheit zu entgeltlichen sexuellen Handlungen angeboten wird, verstoßen nicht gegen OWiG § 120 Abs 1 Nr 2. (OLG Frankfurt, Urteil vom 13.11.1990, Az 11 U 26/90)
2. Der Bundesgerichtshof hatte über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Kontaktanzeigen Prostituierter in Zeitungen zu entscheiden. Einen Unterlassungsanspruch wurde verneint. Die in Rede stehenden Anzeigen waren weder belästigend noch grob anstößig i. S. des § 119 Abs. 1 OWiG.
Für § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG reicht allein eine Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen nicht aus. Mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz hat der Gesetzgeber einem Wandel der Stellung der Prostituierten in der Gesellschaft auch in rechtlicher Hinsicht Rechnung getragen. Danach sind die Ausübung der Prostitution und damit in Zusammenhang stehende Rechtsgeschäfte nicht mehr als schlechthin sittenwidrig anzusehen. Dieses gewandelte Verständnis ist bei der Auslegung des § 120 OWiG zu berücksichtigen. Die Bestimmung kann nicht mehr im Sinne eines generellen Verbots jeglicher Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen angewendet werden. Erforderlich ist vielmehr eine konkrete Beeinträchtigung von Rechtsgütern der Allgemeinheit, namentlich des Jugendschutzes. Die angegriffenen Zeitungsanzeigen geben insoweit keinen Anlass zu besonderen Beanstandungen. (BGH, Mitteilung der Pressestelle, Nr. 103 /2006 vom 13.07.2006)
Veröffentlichung
Der einzige Weg für den Anbieter, jugendschutzrelevante Anzeigen öffentlich zugänglich zu machen, ohne dabei eine Zensur auszuüben, ist je nach Einstufung der Inhalte die Beschränkung der Wahrnehmung für Kinder nach § 5 JMStV durch eine zeitliche Beschränkung, Trennung von Angeboten für Kinder oder ein geeignetes Jugendschutzprogramm. Im Bereich der Jugendgefährdung kann der Anbieter nach § 4 Abs. 2. S. 2 JMStV eine geschlossene Benutzergruppe einrichten und so ausnahmsweise auch unzulässige Inhalte verbreiten.
Mittlerweile hat die Prostitution zwar einen gewissen Grad der gesellschaftlichen Akzeptanz erreicht. Geduldet werden jedoch werbende Massnahmen in diesem Bereich nur, wenn diese sich auf eine sachliche Darstellung der Dienstleistung beschränken und dabei jede grob-anstössige Formulierung oder Abbildung vermeiden.
Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte können dabei mit einer geeigneten Wahrnehmungshürde veröffentlicht werden. In Betracht käme auch eine zeitliche Beschränkung der Verbreitung ab 22.00 bis 06.00 Uhr.
Natürlich stellen solche Maßnahmen ein erhebliches Problem für den Anbieter dar, da er sein Angebot umgestalten muss und insbesondere durch den fehlenden offenen Zugang für jedermann eine weitere Hürde, die seine Wettbewerbsfähigkeit einschränkt, aufbaut. Dennoch ist die Auffassung des Gesetzgebers deutlich: Inhalte, die für Erwachsene bestimmt sind, sollen auch nur durch Erwachsene abrufbar sein.